Texte und Geschichten
StartseiteGott gib mir die Gelassenheit ... | 26.02.2022 |
Vom Mann, der Bäume pflanzte | 26.02.2022 |
Die Geschichte von den Schmunzelsteinchen | 26.02.2022 |
Ich HABE genug | 26.02.2022 |
Redebeitrag von Ruiko Muto bei der Demonstration der 60.000 in Tokyo | 26.02.2022 |
Das Gleichnis vom gekochten Frosch | 26.02.2022 |
Märchen vom Auszug aller Ausländer | 26.02.2022 |
Die Klimanützlinge…(Klimanützlinge gesucht) | 26.02.2022 |
Es war einmal… | 26.02.2022 |
Über den Marktplatz der kleinen Stadt kamen ein paar Männer gezogen.
Sie blieben an der Kirche stehen und sprühten an die Mauer:
"Ausländer raus!"
Steine flogen in das Fenster des südländischen Ladens. Dann zogen sie wieder ab. Gespenstische Ruhe. Die Gardinen an den Bürgerhäusern waren schnell wieder zugefallen. Niemand hatte etwas gesehen.
"Los kommt, es reicht, wir gehen!"
"Wo denkst du hin! Was sollen wir denn da unten im Süden?"
"Da unten? Das ist immerhin unsere Heimat! Wir tun, was an der Wand steht: Ausländer raus!"
Tatsächlich, mitten in der Nacht kam Bewegung in die kleine Stadt.
Die Türen der Geschäfte sprangen auf: Zuerst kamen die Kakao-Päckchen, die Schokoladen und Pralinen in ihren Weihnachtskleidern. Sie wollten nach Ghana und Westafrika, denn dort waren sie zu Hause. Dann kam Kaffee, palettenweise: Der Deutschen Lieblingsgetränk! Uganda, Kenia und Lateinamerika waren ihre Heimat. Ananas, Bananen und Orangen räumten ihre Kisten. Auch die Trauben und Erdbeeren aus Südafrika. Fast alle Weihnachtsleckereien brachen auf, Pfeffernüsse, Spekulatius und Zimtsterne: die Gewürze in ihrem Inneren zog es nach Indien. Der Dresdner Christstollen zögerte. Man sah Tränen in seinen Rosinenaugen, als er zugab: "Mischungen wie mir geht es besonders an den Kragen!" Mit ihm kamen das Lübecker Marzipan und die Nürnberger Lebkuchen. Nicht Qualität, nur Herkunft zählte jetzt.
Der Verkehr brach an diesem Tag zusammen. Lange Schlangen japanischer Autos, bis oben hin vollgestopft mit Fotoapparaten, Handys und Unterhaltungselektronik, krochen gen Osten. Am Himmel sah man die Weihnachtsgänse nach Polen fliegen. Auf ihrer Bahn gefolgt von den Seidenhemden und den Teppichen des fernen Asien.
Man musste sich vorsehen, um nicht auszurutschen, denn von überall her quollen Öl und Benzin hervor, flossen in Rinnsalen zu Bächen zusammen in Richtung Naher Osten. Aber man hatte ja Vorsorge getroffen. Stolz holten die großen deutschen Automobil-Firmen ihre Krisenpläne aus den Schubladen: der Holzvergaser war ganz neu aufgelegt worden wozu ausländisches Öl oder Gas?
Aber die BMWs, Audis, VWs und Mercedes´ lösten sich auf in ihre Einzelteile! Das Aluminium wanderte nach Jamaika, das Kupfer nach Somalia, ein Drittel der Eisenteile nach Brasilien, der Naturkautschuk nach Zaire…
Nach drei Tagen war der Spuk vorbei, der Auszug geschafft. Gerade rechtzeitig zum Weihnachtsfest. Nichts Ausländisches war mehr im Land. Aber Tannenbäume gab es noch. Und Äpfel und Nüsse.
Und "Stille Nacht" durfte gesungen werden zwar nur mit Extragenehmigung, denn das Lied stammte aus Österreich.
Nur eines wollte nicht ins Bild passen:
Maria, Josef und das Kind waren geblieben. Drei Juden. Ausgerechnet.
"Wir bleiben" sagte Maria. "Wenn wir aus diesem Lande gehen, wer will ihnen dann noch den Weg zurück zeigen, den Weg zurück zu Vernunft und Menschlichkeit?"
("Märchen vom Auszug aller Ausländer" - nach Helmut Wöllenstein)
Eines Tages… | 26.02.2022 |
Wenn du das nächste Mal einen Apfel isst... | 26.02.2022 |