Ergebnisse der offenen Klimawerkstatt Runde

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Zusammenfassung

Die Klimawerkstatt gestaltet sich zunehmend als sehr großer Erfolg auf der "niedrigsten" Handlungsebene, nämlich beim Verhalten jedes Einzelnen - als Teil unserer Gesellschaft.

Im Rahmen des "Experiments Klimawerkstatt Verbrauchergruppen" der TU München hatten wir ursprünglich ab dem Jahr 2008 die Möglichkeit, etwas völlig Neues zu versuchen, ohne irgendwelche hochgesteckten Erwartungen erfüllen zu müssen.

Die Fragestellung lautete damals:
"Lässt sich ein klimafreundlicheres Leben des Einzelnen umsetzen?"
"Wie weit kann CO2-Einsparung mit Leichtigkeit gehen?"
"Kann diese Einsparung mit auch mit Genuss und Freude umgesetzt werden?"

Es war ursprünglich schwierig, Probanden für so ein negativ besetztes Thema zu finden. Aus dieser und auch der Schwierigkeit heraus, unterschiedliche (nicht nur entsprechend vorgebildete) Verbrauchergruppen für eine Teilnahme an diesem Projektversuch ansprechen zu können, kam das Projektteam um Dr. Ulrich Wild und Dr. Christian Ganzert auf den Regionalgeldverein Chiemgauer e. V. mit seiner Bürgernähe zu.

Es konnte im Chiemgauer e. V. eine Projektgruppe "Klimawerkstatt-Verbrauchergruppen" gebildet werden.

Diese Projektgruppe entwickelte in Abstimmung mit dem TU-Projektteam die Vorgehensweise und den Ablauf des 6monatigen Verbraucherversuchs:
- Anfangs- und Abschluss-Befragung, - 3 Kleingruppentreffen zur Aussprache in einzelnen Gemeinden und - 3 große, zentral ausgerichtete Informationstreffen,
fachlicher Input über Vorträge, Ausstellungen und Buchausgabe.

Der Zeitrahmen von einem halben Jahr erschien uns damals als schlüssig und von Verbrauchern machbar.

Diese Vorgehensweise stellt sich immer mehr als sehr gut ausgetüftelte Strategie heraus.

Wir (Teilnehmer und Koordinatoren) konnten damals in einer lockeren Atmosphäre etwas neues ausprobieren. Keiner von uns wusste zum damaligen Zeitpunkt, ob das Projekt funktionieren würde. Unkonventionell und spannend war es für uns auch, zu wissen, dass dieses Projekt in seiner Ausrichtung und Umsetzung weltweit einzigartig war - und noch ist: Ähnliche Projekte - aber für die Umsetzung durch die TU nicht geeignet - gab es nur in Kassel und in Boston(!).

Umso mehr freute uns zum Abschluss im Mai 2009, dass wir - sowohl bei der Einsparung als auch bei der Compliance der Teilnehmer - so erfolgreich waren: 20 % CO2-Einsparung auf die vorgeschlagenen Maßnahmen wurden erreicht! Innerhalb eines Zeitraumes von 6 Monaten. Und das auch noch völlig ohne Verzichtsgedanken, sondern mit einem Zugewinn an Gemeinschaftsgefühl durch das "Sich-Erleben" in einer geschützten Gruppe, einem Gewinn an Fachwissen und viel Freude.

Wir haben so mit diesem Versuch zeigen können, dass Verbraucher viel mehr in der Lage sind, umweltverträglicher zu leben, als bisher angenommen wurde.

Es steckt ein unglaublich hohes CO2-Einsparpotential in der Bevölkerung das ganz einfach entwickelt wird durch wohlwollende und gezielte, koordinierte Bildungsarbeit!

Dieser Eindruck wurde nochmals in der zweiten "Runde" der Verbrauchergruppen (diesmal aus zeitlichen Gründen - der Zeitrahmen betrug 4 Monate - nur in Inzell stattfindend) mit ähnlich erfolgreichen Ergebnissen bestätigt.

Wir vom Projekt-Team haben also damals auf Initiative von und mit finanzieller Unterstützung durch die TU München und viel ehrenamtlicher Tätigkeit ein komplett neues Programm zur Schulung von Verbrauchern geschaffen.

Den Klimawerkstätten-Versuch fasste ich später (im Nachhinein - aus meiner Erfahrung sowohl als Teilnehmerin, als auch als beobachtende Koordinatorin heraus) bei Vorträgen als regel-rechte Prozessarbeit zusammen, dem "Klimawerkstatt-Prozess", der den ganzen Menschen anspricht und motiviert.

Leider war die Projektzeit der "Klimawerkstatt - mach was draus" mit mehreren verschiedenen Projektfeldern (u. a. die Verbrauchergruppen) an der TU München im Januar 2010 abgelaufen.

So war es für uns sehr schön und hilfreich, eine (insgeheim angedachte) nächste "Stufe" unseres "Schulungsprogramms Klimawerkstatt" vom Bayerischen Umweltministerium - hier dem Umweltfonds Bayern - unterstützt zu wissen.

Unter anderem wollten wir an diesem Punkt des Projektes wissen, ob (und wie) es möglich ist, den Erfolg noch zu erweitern/auszubauen:

1. Multiplikatoren auszubilden (innergemeindlich und überregional)
- Breitenwirkung verstärken

2. Die CO2-Einsparungen noch zu erhöhen (nochmals um 10 %)
- Tiefenwirkung verstärken

Außerdem interessierte uns vom Verein Chiemgauer e. V. aus sehr, ob und wie das Schulungsprogramm für die Zukunft finanziell noch unabhängiger arbeiten kann.

Dafür haben wir in der sog. "3. Runde" eine offene, für jeden Interessierten zugängliche Veranstaltungsreihe mit Inhalten, die z. T. neues Wissen boten oder bereits bei anderen Veranstaltungen angesprochene Inhalte vertiefte.

Es wurden insgesamt:

2 Filmvorführungen und
3 große Vortragsveranstaltungen (anderer Organisatoren) mit jeweils mehreren Referenten besucht

2 (4 in 2) Praxis-Seminare veranstaltet
Wildkräuterführung und Beimpfung von Laubholz mit Kulturpilz-Substrat
Terra-Preta-Bereitung mit EM (EM-Praxis-Seminar) und Kuhmist

3 Exkursionen
Biomasseheizwerk Grassau
Feldbegehung Langenspacher Hof und
Besichtigung einer Kleinwindkraftanlage in Inzell

1 2-Tages-Exkursion nach Niederösterreich veranstaltet
Firma Sonnentor
Gesellschaft für Saatgutvielfalt und -Erhaltung Arche Noah

Außerdem erhielt die Gemeindebücherei ein eigenes Klimawerkstatt-Regal mit Medien zum Thema: Hintergrund-Literatur (Nachhaltigkeit, Ressourcenschonendes Leben und Arbeiten - mit all seinen Bereichen), Praxisbücher und Ratgeber, Belletristik zum Thema und themenbezogene Dokumentationsfilme.

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Fazit

Das offene Bildungsangebot wurde von der Bevölkerung in unterschiedlichem Maße angenommen. Je nach Interesse, Neigung und zeitlichen Möglichkeiten.

Mehrheitlich wurde das Angebot aber von denjenigen genutzt, die den "Prozess Klimawerkstatt" aus den Runden 1 und 2 bereits durchlaufen und so eine gewisse Grund-Information sich angeeignet und sich in der Gemeinschaft "Klimawerkstatt" eingefunden und so freundschaftlich verbunden haben.
Aber es kamen auch zu fast jeder Veranstaltung über die Information im Gemeindeanzeiger, den Email-Verteiler oder Mund-zu-Mund-Werbung (Multiplikatoren-Wirkung!) andere Neugierige hinzu.

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1. Multiplikatoren-Ausbildung

Das 1. Augenmerk war bei diesen Veranstaltungen - neben der generellen Information über die Themen "Nachhaltigkeit, Ressourcenschonendes Leben"
Die Ausbildung von Multiplikatoren.

Hierzu wurde - bei jeder Begrüßung und Verabschiedung zu einer Veranstaltung bzw. Exkursion - erwähnt, dass wir alle und jederzeit Multiplikatoren sind.
"Egal, ob im Arbeits- Familien- oder ehrenamtlichen Umfeld: "wir wirken uns aus". Dies war der Tenor, der allen Teilnehmern jedes Mal mitgegeben wurde.

Das erschien mir als der Ausführenden der einfachste und effizienteste Weg, möglichen Multiplikatoren ihre Rolle überhaupt erst einmal bewusst zu machen.

Interessant waren dahingehend dann auch die Ergebnisse der Abschlussbefragung.
Befragt wurden aus didaktischen und praktischen Erwägungen ausschließlich Menschen, die sich bereits einer Anfangsbefragung in Runde 1 oder 2 unterzogen haben.

Laut Abschlussbericht von Julia Knechtel, die die Abschlussbefragungen auch in dieser Runde wieder durchführte, war allen Befragungs-Teilnehmern ihre Multiplikatoren-Rolle in dieser 3. Runde bewusst!
Die Vorgehensweise hat ihre Wirkung hinterlassen.

Als konzentrierte Multiplikatoren-Ausbildungsveranstaltung kam im Februar die "Klimawerkstatt - Zukunftswerkstatt" zum Zuge.
An diesem einen Nachmittag wurden innerhalb von wenigen Stunden (!) Interessen, Wünsche und Visionen thematisiert und Arbeitskreise zur Installation dieser Inhalte im gemeindlichen Leben gebildet.

Die Bildung der Arbeitskreise mit festen Ansprechpartnern haben die Klimawerkstatt im Gemeindebereich Inzell installiert:

Themenbereiche der Arbeitskreise waren:
- regelmäßige Treffen, Exkursionen, neue Klimawerkstatt-Runde
- öffentlichkeitsarbeit, Homepage, Gemeindeanzeiger
- Zukunftsprojekte, Investitionen
- Tauschbörsen (z. B. für Pflanzen), Tauschkreis, Talente/Zeitkonten
- Kurse/Vorträge in Kindergarten, Schulen, Vereinen
- Informationsstände bei großen Veranstaltungen
- Finanzierung, Partner/Kooperationen finden

Jetzt gilt es noch, die Arbeitskreise mit Leben zu füllen. Dazu wurden regelmäßige Treffen ("Klimawerkstatt-Stammtisch")aus der Runde angeregt, um anstehende Aktionen zu besprechen und zu planen. (Der erste dieser Stammtische fand bereits statt, der zweite im Mai.)

Im Nachhinein stellte sich diese Vorgehensweise (häufige Impulse "wir alle sind Multiplikatoren" + Multiplikatoren-Schulung zum Abschluss) zur Ausbildung von Multiplikatoren als hocheffizient bei relativ geringem separatem Aufwand heraus.

In der Zeit der 3. "offenen" Klimawerkstatt-Runde bildeten sich aus den 1. zwei Klimawerkstätten auch "Zweig-Klimawerkstätten" in Mittelfranken (getragen durch die Regionalbewegung Mittelfranken) und in München (getragen von der Landeshauptstadt - Umweltreferat - München) heraus.
Hierbei konnte ich als eingeladene Referentin durch meine Tätigkeit aus der ersten Stunde mit unseren Erfolgen schöne überregionale Multiplikationsimpulse setzen.

So können wir sagen, dass wir den Auftrag, Multiplikatoren auszubilden erfüllt haben. Sowohl örtlich als auch überregional konnten wir die "Idee Klimawerkstatt" ausbauen und so unserer Wirkung verbreitern.

(Interessant wäre diese Wirkung nun in der Praxis zu testen mit einer neuerlichen 6monatigen Verbraucher-Runde in Inzell: wie schnell wären wie viele Menschen nun bereit, sich für ein halbes Jahr der Klimawerkstatt anzuschließen, nachdem sie die offene Runde erlebt haben? Wir haben ja bereits eine Steigerung von der ersten zur zweiten Runde in der Akzeptanz der Bevölkerung erlebt…)

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2. CO2-Einsparung

Was die CO2-Einsparung angeht, konnten wir auch hier wieder einen Erfolg verbuchen: Laut Abschlussbericht aus den Befragungen erreichten wir eine CO2-Einsparung von annähernd 20 %.
In diesem längeren Zeitraum ist manches leichter zu eruieren, da mittlerweile (im Gegensatz zur ersten Runde) schon Heizmittel- und Stromrechnungen zum Vergleich zur Verfügung stehen.
Außerdem haben sich schon viele mittelfristige Veränderungen ergeben: Ersatz von Heizkesseln, Einsatz von Photovoltaikanlagen etc.

Bezüglich unseres Vereinsinteresses, die Klimawerkstatt auf eigene finanzielle Beine zu stellen, haben wir auch in der Zukunftswerkstatt noch mehr konkretisiert:

Seit der Zukunftswerkstatt verteilt sich die Arbeit in der Klimawerkstatt auf mehrere Schultern, was der Bewegung noch mehr Energie verleiht.

Es gibt auch die Möglichkeit, über unser Regionalgeld "Chiemgauer" Förderungen aus der Wirtschaft zu akquirieren: 3 % Förderung bei jedem Einkauf eines "Klimawerklers" mit Chiemgauer kommen in Zukunft der Klimawerkstatt zugute, da die Klimawerkstatt sich als Förderzweck beim Chiemgauer e. V. eingetragen hat.
Diese 3 % werden von regionalen Firmen, die Mitglied im regionalen Kreislauf-Netzwerk "Chiemgauer e. V." sind, bezahlt. So werden wir diese Möglichkeit nutzen, die regionale Wirtschaft ganz einfach in die "Bildung für die Zukunft" mit einbeziehen.

Direkte Kooperationen mit Unternehmen, die auf diesem Gebiet arbeiten wären auszuarbeiten, was allerdings große zeitliche Ressourcen binden würde, die der eigentlichen ehrenamtlichen Klimawerkstatt-Arbeit dann fehlen.
Deshalb haben wir diese Möglichkeit noch nicht konkretisiert.

So sind wir unserem Ziel "finanzielle Eigenständigkeit" ein relativ kleines Stück nähergekommen, aber Schritt für Schritt verfolgen wir dieses Ziel weiter.

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Rückblickend betrachtet stellt sich dar:

  • Ein halbjähriger Klimawerkstatt-Prozess , d. h. das Durchlaufen einer Klimawerkstatt (s. o.) ist eine sehr gute Voraussetzung für die Entwicklung eines breiten Bevölkerungsbewusstseins zum Klimaschutz, denn:
  • die Menschen, die die Klimawerkstatt "am eigenen Leib" erlebt haben, haben erkannt, dass es keine Einschränkung bedeutet, klimafreundlicher zu leben und
  • die Menschen, die die Klimawerkstatt durchlaufen haben, haben das Bewusstsein bekommen, dass sich ihr Verhalten auf die Umwelt unmittelbar auswirkt (im positiven wie im negativen Sinn)
  • das Erleben der Klimawerkstatt von einzelnen Menschen in Gruppen in verschiedenen Gemeinden lässt - unter gezielter Anleitung von geschulten Koordinatoren - effizient nachhaltige Lebens-Strukturen/Gemeindestrukturen entstehen (noch besser als im Agenda-21-Gedanken verankert ist).
  • 1 mal jährlich 1 Klimawerkstatt mit ca. 15 Familien in jeder Gemeinde durchzuführen, würde höchst effizient die Voraussetzungen für vielerlei Aktivitäten schaffen, um eine zukunftsfähige Ausrichtung der Bürger zu erreichen (auch im Sinne von Gemeindeentwicklungsprozessen i. d. Regionen)
  • So könnte exponentielles Wachstum mit gezielter Ausbildung von Multiplikatoren für Bildungsarbeit genutzt werden: der Beginn läge bei 15 Familien pro Jahr - in drei Jahren wären über 40 Familien mit ihren ganz eigenen Kompetenzen und Kontakten in ihrem sozialen Umfeld in die Bildungsarbeit mit einbezogen. Ein Netzwerk, das sich anders nicht bilden würde.
  • Eventueller Einsatz staatlicher Fördergelder könnte in Klimawerkstätten äußerst effizient und maßgeblich zur Bildung eines breiten Bewusstseins der Bevölkerung im Sinne des Klimaschutzes beitragen.
  • Wir freuen uns sehr, die Idee der Klimawerkstatt zu verbreiten.
    Hierzu waren wir im November von der ökologischen Akademie Linden an das Landesamt für Umwelt zu einer Fortbildungsveranstaltung für Umweltbildner eingeladen, um unser Konzept (neben "Footprint-Schulen" und anderen interessanten Ansätzen) vorzustellen.

    Als sehr gute Hilfe für die Bildungsarbeit stellt sich der Klimarechner/CO2-Rechner auf www.chiemgauer.info dar.
    Hierbei wäre es eine schöne Bereicherung, für Bayern einen eigenen ausführlichen Klimarechner zu installieren. Kontakte zu maßgeblichen Gesprächspartnern am LfU hierzu wurden im November geknüpft.

    Außerdem wird die zukunftsträchtige Entwicklung der Klimawerkstätten von der geplanten und (in ehrenamtlicher, deshalb längerdauernder) Arbeit befindlichen Plattform www.klimawerkler.de sehr unterstützt werden.
    Wir planen, auf dieser Internet-Plattform Erfahrungen (z. B. Rubrik "Klimawerkstätten - Geschichte"), Ideen (z. B. Rubrik "Tipps und Tricks aus der Klimawerkstatt") , Zeit (z. B. Rubrik "Termine" - vernetzt mit anderen Institutionen) und andere Ressourcen (Vernetzung mit anderen regionalen und überregionalen Institutionen) für unsere weitere Arbeit und im Sinne des Klimaschutzes zu bündeln, denn es muss nicht jeder wieder von vorne anfangen, der ein ähnliches Unterfangen betreibt, wie wir hier in Inzell.

    Wir bedanken uns sehr für Ihre Unterstützung zu diesem großen Schritt, den wir im Jahr 2010 - bis heute - gemacht haben.
    Und wir freuen uns natürlich sehr, wenn Sie unsere Arbeit weiterverfolgen.

    Gerade die regionale und überregionale bzw. interdisziplinäre Multiplikation unserer Erfahrungen wäre noch eine Herausforderung, der wir uns u. U. stellen könnten.

    Es wäre uns allen zu wünschen, dass die Idee und das Konzept der Klimawerkstatt weitere Verbreitung findet.

    So könnten wir als Einzelne und als Gesellschaft jetzt dem nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandel mit all seinen Folgen begegnen.

    Elisabeth Koch

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